GESCHICHTE

100 Jahre Blaskapelle Übersee
VON DER RIVALITÄT ZUR EINHEIT
DIE GEBURTSSTUNDE DER BLASKAPELLE ÜBERSEE
Die musikalische Geschichte unserer Blaskapelle reicht weit zurück: Bereits im Jahr 1810 gründete Josef Gastager, ein Schneider, geboren in der Feldwies und über Umwegen erst im Jahre 1805 dorthin zurückgekehrt, die erste Musikkapelle in Übersee. Über viele Jahrzehnte hinweg wurde diese Kapelle, deren Leitung über drei Generationen in der Familie Gastager blieb, zu einer beliebten musikalischen
Größe im Ort und auch in den umliegenden Gemeinden. Nach der Jahrhundertwende, um ca. 1905, kam es zur Auflösung dieser Kapelle.
Noch bevor dies geschah, gründete sich um 1903 eine neue, junge Kapelle: Die „Schmid-Heigenhauser“-Kapelle. Geleitet wurde sie zunächst von Josef Schmid, dem Liebl aus Feldwies und ab 1922 vom Musiker Georg Reischl aus Grüntal bei Raubling. Das musikalische Geschehen in Übersee wurde jedoch bald
von Konkurrenz geprägt: Andre Gastager, dritter Dirigent der ursprünglichen Musikkapelle, stand der neuen Gründung kritisch gegenüber und rief 1907 eine neue, eigene Besetzung ins Leben, die Kapelle „Gastager-Donauer“. Diese leitete er bis zu seinem Tod 1914, danach übernahm Peter Donauer die musikalische Führung bis 1924.
Dass sich in einer kleinen ländlichen Gemeinde zwei Musikkapellen gleichzeitig behaupten konnten, war eine Besonderheit. Doch 1925 kam es zur entscheidenden Wende:
Durch das diplomatische Geschick von bereits erwähntem Georg Reischl beendeten beide Kapellen ihre Rivalität und schlossen sich zur „Blaskapelle Übersee“ zusammen. Die musikalische Leitung übernahm zunächst Georg Reischl, der sich bereits als Dirigent der Kapelle „Schmid-Heigenhauser“- bewährt hatte. Er führte das Ensemble bis 1935. Danach übernahm August Schmid – ein Neffe von Josef Schmid – die Leitung bis 1958. Ihm folgte Josef Schwaiger, vielen bekannt als „Fischer Sepp“, der die Kapelle bis 1981
als hervorragender Posaunist leitete, zeitweise unterstützt von Alois Dettl an der Trompete und Herbert Donauer an der Klarinette.
In den 1960er Jahren machten sich bei der alten, ruhmreichen Überseer Blaskapelle Nachwuchssorgen bemerkbar. Mit vielen Aushilfen aus den Nachbargemeinden konnte man sich noch eine gute Zeit über Wasser halten. Die Initiative für eine Lösung kam dann aber von dem Schullehrer, Kirchenmusiker und Organisten Christian Dengler. Im Herbst 1974 wurde der Grundstein gelegt, im Januar 1975 folgte die Gründungsversammlung. So konnte mit einer Jugendblaskapelle ein neuer Anfang gemacht werden.
Im Jahr 2025 feiert der Musikverein Übersee-Feldwies sein 50-jähriges Bestehen. Die Vereinigung, also der Zusammenschluss zweier eigenständiger Kapellen zur Blaskapelle Übersee liegt sogar 100 Jahre zurück. Diese Jubiläen markieren nicht nur ein rundes Datum, sondern auch ein Stück gelebter Ortsgeschichte. Über
mehrere Generationen hinweg haben zahlreiche engagierte Musikanten zur Entwicklung und zum Erhalt der Kapelle beigetragen. Ihr Einsatz hat es ermöglicht, dass die Blasmusik bis heute einen festen Platz im kulturellen Leben der Gemeinde einnimmt. Mit den beiden Jubiläen richtet sich der Blick nicht nur zurück, sondern ebenso nach vorn – auf viele weitere Jahre aktiver Blasmusik in Übersee.

Von der Jugendkapelle zur Blaskapelle
ÜBERSEE, ENDE 1974 - DIE WILDEN SIEBZIGER SIND IN VOLLEM GANGE UND DIE CHIEMSEEGEMEINDE ÜBERSEE STEHT IN SACHEN BLASMUSIK
VOR GROSSEN VERÄNDERUNGEN.

Bereits 1961 berichtete Ortsheimatpfleger Josef Metz über den Leiter der Alten Überseer Musi: „Möge
es ihm gelingen, das Nachwuchsproblem zu lösen, damit die Blaskapelle Übersee-Feldwies weiter bestehen bleibe. Es wäre doch jammerschade um ihr Aufhören nach einem mehr als 150jährigen Bestehen. Was ist schon ein bayerisches Dorffest ohne Blasmusik? Oder wird in Zukunft bei Trachtenumzügen u. ä. Veranstaltungen ein Lautsprecherwagen mit Konserven-Blasmusik mitfahren?“ Die Nachwuchsproblematik hatte sich im Jahr 1974 zugespitzt und die „Alten Überseer“ konnten kaum noch mit einer spielbaren Besetzung aufwarten. Daraufhin ergriff eine Gruppe Männer, bestehend aus Chorleiter und Lehrer Christian Dengler, Bürgermeister Georg Gschwendner, Pfarrer Korbinian Springer, den Altmusikanten Nik Holzner (Radlschuster), Josef Schwaiger (Fischer Sepp), Jak Haumayer und dem Wirt Karl Jobst senior die Initiative.


Gründungsmusikanten im Jahr 2025
Der Neubeginn
der Blasmusik in Übersee (1973-1981)
Im Frühjahr 1973 begann Christian Dengler seine musikalische Tätigkeit in Übersee als Organist und Leiter des Kirchenchors. Unter der Leitung von Pfarrer Springer, einem großen Freund der Kirchenmusik, entwickelte sich das kirchenmusikalische Leben in der Gemeinde rasch und lebendig. Die Gottesdienste wurden regelmäßig mit Chor- und Orgelmusik gestaltet, Konzerte fanden großen Anklang. Zur gleichen Zeit zeichnete sich das Ende der damaligen Blaskapelle Übersee ab. Altersbedingt konnten viele der Musiker ihre Aufgaben nicht mehr wahrnehmen, Ersatz war kaum vorhanden. Im Jahr 1974 stand fest: Ohne Nachwuchs würde die Blasmusik in Übersee verstummen. Angespornt durch positive Beispiele aus Nachbargemeinden entschloss man sich zur Gründung einer Jugendblaskapelle. Erste Initiativen wurden ergriffen, ein öffentlicher Aufruf startete die Suche nach interessierten Jugendlichen. In einer denkwürdigen Versammlung im Gasthaus Jobst – mit Vertretern der alten Musikkapelle, interessierten Eltern, dem Bürgermeister und dem Pfarrer – wurde der Musikverein Übersee gegründet. Christian Dengler übernahm den Vorsitz.
Die Aufbauarbeit gestaltete sich herausfordernd. Weder Instrumente noch ausreichend Ausbilder standen zur Verfügung. Doch mit großem Engagement aller Beteiligten gelang es, erste Strukturen zu schaffen. Eine zentrale Rolle spielte dabei Toni Edenhoffer, ein erfahrener Musiker aus Marquartstein, der die musikalische Leitung der neuen Jugendkapelle übernahm. Er sichtete die interessierten Kinder, verteilte sie auf geeignete Instrumente und legte damit den Grundstein für eine systematische Ausbildung.
Die ersten Proben fanden im ehemaligen evangelischen Kirchengebäude statt, das von der Gemeinde als Jugendheim zur Verfügung gestellt wurde. Die Platzverhältnisse waren beengt, die Bedingungen alles andere als ideal – doch der Enthusiasmus war groß. Auch die Finanzierung der Instrumente wurde durch ein faires und solidarisches Modell gelöst: Die Eltern konnten Instrumente zinsfrei in kleinen Raten finanzieren, der Verein organisierte die Anschaffung. Schon bald war die Jugendblaskapelle bei kleineren Auftritten in der Kirche und bei Beerdigungen zu hören. Die Gemeinschaft wuchs, das musikalische Niveau stieg stetig.
Auch bei der Kleidung zeichnete sich ein Wandel ab: Anfangs trugen die Jungen einheitliche grüne Anzüge, die Mädchen kamen in eigenen Dirndln – erst später wurde eine einheitliche Tracht angeschafft.
Zur Neugründung einer Kapelle benötigte man damals wie heute nicht nur Nachwuchsmusikanten, sondern auch Ausbilder. Mit Anton Edenhoffer und Willi Scharmüller konnten erste Dirigenten und Ausbilder gewonnen werden. Unterstützung kam auch von Peter Gries sen. und Ernst Holzfurtner, die Schlagwerk und Holz ausbildeten. Zum Jahreswechsel 1974/75 wurde dafür der Grundstein gelegt – im Gemeindeanzeiger rief man öffentlich dazu auf, die Blasmusik zu verjüngen. Der Weg zur Gründung des Musikvereins war geebnet und man machte sich zur Aufgabe, der Jugend Musikunterricht zu erteilen und so Nachwuchs für eine neue, größere Musikkapelle zu schaffen.
Nach dem Ausscheiden von Toni Edenhoffer und der späteren Kündigung von Willi Scharmüller, stellte sich erneut die Frage nach einer musikalischen Leitung. Mehrere Versuche mit externen Dirigenten blieben erfolglos. Als 1981 das Bezirksmusikfest in Übersee ausgerichtet werden sollte, übernahm Christian Dengler erneut Verantwortung – diesmal nicht nur als Vereinsvorstand, sondern auch als musikalischer Leiter. Gemeinsam mit Unterstützern aus dem Verein gelang es, das Fest mit großem Erfolg durchzuführen.
Die Kapelle zeigte sich musikalisch gereift, zahlreiche Gastkapellen nahmen teil, ein großer Festzug zog durch das Dorf. Besonders gewürdigt wurden dabei die ehemaligen Mitglieder der alten Überseer Blaskapelle, deren jahrzehntelanges Wirken feierlich geehrt wurde. Nach dem Musikfest stand erneut die Frage im Raum, wer die musikalische Leitung dauerhaft übernehmen würde. Trotz intensiver Suche fand sich niemand. So blieb Christian Dengler – ursprünglich nur „übergangsweise“ eingesprungen – bis 2010 in dieser Funktion aktiv und prägte über fast vier Jahrzehnte hinweg die musikalische Entwicklung des Vereins entscheidend mit.






































